Trauer und Kontrolle?! Hä
Vielleicht passt eher Verlustängste und Kontrolle?
Seit ein paar Monaten ist der Verlust von meinem Vater immer wieder ein Thema für mich, obwohl es schon bald 30 Jahren her ist, es kommt immer wieder, wellenartig, schubweise...
Wenn jemand aus meinem Umfeld ein Elternteil, Geschwister oder Partner verliert, kommen Erinnerungen und Gefühle hoch....
Wenn es Eltern sind die ein Kind verlieren, passiert bei mir ganz etwas anderes, dann sind meine Muttergefühle und meine Rolle als Mutter dominanter, dadurch bin ich in einer anderen Position.
Ich beobachte auch Muster die durch diesen Verlust oder Trauma entstanden sind, es sind sehr prägende Erlebnisse, egal in welchem Alter man dies erfahren musste/durfte.
Und doch denke ich, dass es in der Kindheit tiefer einwirkt, prägt, einbrennt..
Es kann auch sehr stark machen!
Wachrütteln und dadurch viel bewusster das Leben leben lassen.
Hast du in deiner Kindheit jemanden verloren, der dir sehr nah stand?
Jemand der dich geliebt und beschützt hat?
Jemand den du unendlich geliebt hast?
Nadia
Es war der 1. März, ich glaube an einem Dienstag.
Das Haustelefon hat am Morgenfrüh geklingelt, es war der Arbeitgeber meines Vaters.
Er war an diesem Morgen nicht erschienen und sie wollten sich erkundigen ob er eventuell verschlafen hatte oder krank war. Zuhause war er nicht, nur sein Auto war noch in der Garage. Meine Geschwister gingen zur Arbeit (Lehrbetrieb) und ich zur Schule.
Ich hatte ein seltsames Gefühl.
Am Vorabend war er müde. Ich hab noch das Bild vor den Augen, wie er sitzend auf dem Sofa eingeschlafen war. Was aber auch nicht sehr unüblich war.
Wo war er?
Das passte irgendwie nicht zu ihm...
In der Znüni Pause hörte ich wie andere Kinder erzählten es sei etwas schlimmes passiert, denn sie hatten auf dem Schulweg die Polizei gesehen im Dorf.
Da spürte ich eine Angst, ein starkes Gefühl, dass ich so noch nie gespürt hatte.
Eine Ohnmacht.
Meine Augen suchten die Religionslehrerin, irgendwie hatte ich das Bedürfnis mit ihr zu sprechen. Doch sie war an diesem Tag nicht im Schulhaus tätig.
Mein Magen verkrampfte sich und der Heimweg fühlte sich an diesem Mittag einfach nicht gut an... unrealistisch
Als ich all die parkierten Autos vor unserem Wohnhaus sah, war es klar...
Jede Stufe im Treppenhaus brachte mich ein Stück näher, näher zu einer Realität die ich jahrelang nicht wahrhaben wollte.
Mein Vater hatte mich verlassen. Uns verlassen..
Er hatte sich das Leben genommen, sein Leben und ein Stück von unserem auch.
Keine Träne, das konnte nicht wahr sein.
Alles was in den darauf folgenden Tagen geschah war für mich wie in einem Film, ein Film in der ich einfach nur beobachtete, nichts fühlte.
Meine Realität sah anders aus.
Mein Papà war einfach müde, alles war ihm zu viel und darum hatte er eine Pause gebraucht und sobald er sich erholt hatte , kam er sicher wieder zurück..
So malte ich mir das aus.
Ich hoffte immer, dass mich niemand fragte wer meine Eltern oder mein Vater war.
Sonst musste ich etwas sagen, was ich ja selber gar nicht glaubte und unendlich schmerzte.
Zuhause wurde nicht darüber geredet, der Schmerz war zu gross.
Circa 5 Jahre später sass ich an einem Sommerabend mit einer lieben Freundin draussen auf einer Treppe, assen ein Glace und ich erzählte ihr alles, bis ins letzte Detail.
Endlich konnte ich jemandem alles erzählen. Endlich war ich soweit..
Es fühlte sich etwas leichter an..
Am nächsten Tag fuhr ich in die Ferien, natürlich nach Italien. Wir hatten ein Haus im Dorf meiner Eltern, die meisten Verwandten lebten noch dort, und mein Vater ist in diesem Friedhof begraben worden.
Als ich vor seinem Grab stand passierte etwas...
All die Tränen, die ich über all die Jahre nicht vergiessen konnte, brachen nun aus mir raus. All der Schmerz liess ich endlich los und gab ihm den Raum...
Es war viel und schwer, und doch gleichzeitig erleichternd...
Von diesem Tag an konnte ich endlich darüber sprechen. Manchmal fiel es mir leichter und manchmal war es tief und schwer.
Während ich jetzt schreibe passiert auch ganz viel...
Heute kann ich sehr offen damit umgehen.
Weh macht es immer noch, aber auf eine andere Art.
Ich habe es akzeptiert . Ich habe verstanden und verziehen...
Ich weiss, dass er immer bei mir ist und mich begleitet, mit und für mich sich freut, mich stärkt und halt gibt. Stolz ist.
Wie hat mich das geprägt?
Welche Muster erkenne ich heute noch?
Ich will mich von niemanden und nichts abhängig machen.
Aus Angst diesen Schmerz wieder fühlen zu müssen, wenn ich es verlieren würde.
Mein Vater war für mich viel präsenter als meine Mutter.
Sie hatte viel zu tun Zuhause.
Am Wochenende ging ich Morgens mit meinem Vater spazieren oder in den ItalienerClub 🇮🇹eine Ovi trinken.
Ich hing viel an ihm, sass auf dem Sofa bei ihm...
Meine Mutter bat mich auch mit ihm zu sprechen, wenn er nicht einsehen wollte, dass ein Klinikaufenthalt wieder nötig war.
Wenn ich ihm das sagte und ihn darum bat, nahm er das an und ging.
Als meine Tochter 9 Jahre alt war, dachte ich:
In diesem Alter führte ich solche Gespräche mit meinem Vater, dass kann doch nicht sein?!
Für mich war das ganz normal..
In den meisten Situationen ist meine extreme Art mit Abhängigkeiten umzugehen ganz gut und gesund, aber im Bezug zu Beziehungen nicht immer optimal ...
Alles was extrem ist, kann nicht gesund sein..
Phu... das ist jetzt voll geflossen, das Tippen und auch meine Tränen.
Übrigens, wir Geschwister haben erst vor ein paar Jahren offen darüber geredet. Jeder von uns drei hat erzählt wie es ihm an diesem Tag ergangen ist. Das war für unsere Beziehung sehr wichtig und wertvoll 🤍
Lenny
Ich danke auch dem kleinen Lenny, dank ihm habe ich mich definitiv für dieses Schreiben von Heute entschieden🤍
Danke für das herzige Monster Bito, diese Zeichnung werde ich ganz sorgsam aufbewahren 🫶🏻
Lenny, dein Papi ist immer bei dir.
Lyan
„Mami der Tod isch eigentlich schön, well ez isch de Papi bi sim Papi und bi sim Hund und irgendwenn wird au ich wieder bi im si, eso es el Destino“
Ja Lyan, dein Papi ist immer bei dir und all die lieben Nachrichten/Briefe sind mit den Luftballons zu ihm in den Himmel.
Sie sind alle hier und begleiten uns auf ihre Art🫶🏻
Heute Mittag habe ich diesen Text geschrieben und am Nachmittag von Pat erfahren, dass genau dann ihre Schwester (die Grosstante meiner Kindern) verstorben ist 🙏🏼
Ihre Eltern werden sie da oben empfangen...
Ihrer Familie viel Kraft und vorallem Liebe
Und Liz, ich werde weiterhin an unserem Geburtstag auch an dich denken und von nun an eine Kerze für dich brennen lassen. Wie ich hattest du am 30. April Geburtstag, Walpurgisnacht
🤍
Nadia
🤍🤍🤍
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